Dringende Forderungen für eine friedliche Lösung der kurdischen Frage
Sechs kurdische Parteien bilden gemeinsame Plattform
(Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 3, Jg. 12, 10.2.1999)
Auf einer Pressekonferenz haben am 26.1. in Brüssel sechs kurdische Parteien die Bildung einer Plattform vorgestellt. Neu ist vor allem, daß sich die PSK beteiligt. Hier die Erklärung der Parteien, die künftig den Kurdinnen und Kurden aus dem türkisch besetzten Teil Kurdistans eine gemeinsame Stimme geben wollen.
Die kurdische Frage ist nicht nur das dringendste Problem der Türkei, sondern sie führt auch zu einer Reihe anderer ökonomischer, sozialer und politischer Probleme oder verschärft diese zunehmend. Die Lösung des kurdischen Problems erleichtert daher die Lösung dieser Probleme.
Die Lösung des kurdischen Problems kann ausschließlich mit friedlichen Mitteln auf der Basis demokratischer Grundsätze herbeigeführt werden. Dazu ist es notwendig, die nationalen demokratischen Rechte des kurdischen Volkes anzuerkennen. Wir sind der Überzeugung, daß das kurdische und türkische Volk friedlich miteinander leben können, wenn ihnen gleiche Rechte zuteilwerden.
Wir, die Nationale Plattform Nord-Kurdistans, sind unter Berücksichtigung der nationalen und internationalen Bedingungen für eine Lösung auf der Grundlage der Gleichberechtigung bereit, mit der türkischen Seite in Verhandlungen zu treten.
Darum müssen folgende dringende Forderungen erfüllt werden, um den Weg für den Frieden zu ebnen:
Der Krieg in Kurdistan, der beiden Völkern schon teuer zu stehen gekommen ist, der bereits viele Menschenleben gefordert und die Ressourcen des Landes verschlungen hat, muß beendet werden; dazu müssen beide Seiten zum nächstmöglichen Zeitpunkt einen Waffenstillstand erklären.
Die Zerstörung der kurdischen Dörfer und Kreisstädte und die Zwangsvertreibung der Menschen muß beendet werden. Die Rückkehr der Menschen in die zerstörten Dörfer und Städte muß gestattet und ihre erlittenen Verluste müssen ersetzt werden.
Der Ausnahmezustand muß aufgehoben und die Militäroperationen beendet werden; das Dorfschützersystem, die Spezialteams und andere spezielle Organisationen müssen aufgelöst werden.
Die politischen Morde, die Folter und extralegalen Morde müssen beendet werden; die Morde „unbekannter Täter“ müssen aufgeklärt und die Schuldigen bestraft werden.
Die Verflechtungen zwischen Staat und Mafia müssen aufgeklärt, die Rauschgift- und Killerbanden aufgelöst und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.
Die Behinderung von Meinungs- und Organisationsfreiheit muß beseitigt werden; demokratischen politischen Parteien, auch kurdischen, muß erlaubt werden, sich frei zu betätigen.
Die Unterdrückung politischer Gefangener und solcher, die wegen sogenannter „Meinungsvergehen“ inhaftiert sind, muß beendet werden; alle diese Gefangenen müssen freigelassen werden.
Die ungleiche und ungerechte Behandlung und Unterdrückung aufgrund von Religions – und Konfessionszugehörigkeit muß beendet, Gewissens- und Religionsfreiheit muß voll hergestellt werden.
Die Unterdrückung der kurdischen Sprache muß beendet, die Anwendung der kurdischen Sprache in allen Lebensbereichen in Wort und Schrift erlaubt werden. Die historischen Güter und die Umwelt in Kurdistan müssen geschützt, das Newroz-Fest als kurdischer Nationalfeiertag anerkannt werden.
Die im Zuge der kolonialen Politik und des schmutzigen Krieges lahmgelegte Wirtschaft in Kurdistan muß mit Sonder- und Förderprogrammen wiederhergestellt werden.
Die von der Türkei unterzeichneten internationalen Abkommen und Vereinbarungen wie die Internationale Menschenrechtskonvention der UN, das Europäische Menschenrechtsabkommen und die OSZE müssen durchgesetzt und eingehalten werden. Die Durchsetzung dieser Abkommen muß unter internationale Aufsicht und Garantie gestellt werden. Diesen Abkommen muß auch im Zusammenhang mit Kurdistan und der kurdischen Frage Geltung verschafft werden.
Um den Demokratisierungsprozeß zu gestalten, muß der türkische Staat die Verfassung und die Gesetze möglichst schnell gemäß demokratischen Grundsätzen ändern und die Respektierung der kurdischen Identität, der Sprache und Kultur in der Verfassung verankern.
Die ungerechten Verbote und Herabwürdigungen des legitimen Freiheitskampfes des kurdischen Volkes und seiner Parteien, die aufgrund der Interventionen der Türkei international verhängt wurden, müssen beendet werden.
Alle politischen und demokratischen Rechte, die den türkischen Menschen zustehen, müssen auch kurdischen Menschen zugestanden werden.
26. Januar 1999, Nationale Plattform Nord – Kurdistans (Postfach 10 19 37, D-50459 Köln)
Hevgirtin (Union der Patrioten)
KKP (Kommunistische Partei Kurdistans)
PIK (Islamische Partei Kurdistans)
PKK (Arbeiter Partei Kurdistans)
PRK (Befreiungs Partei Kurdistans)
PSK (Sozialistische Partei Kurdistans)